Mittwoch, 16. Februar 2011

[Philosophie] Zeit der Besinnung

Warum tun wir uns das eigentlich immer wieder und wieder an?

Warum lernen wir immer wieder und wieder neue Regelwerke auswendig? Warum suchen wir immer nach dem goldenen System? Dem Idealzustand? Warum überfluten wir immer wieder die Welt mit neuen, kurzlebigen Systemen? Warum verdünnen wir die Essenz des Hobbies mit immer mehr Regeln? Warum zerstören wir unsere Fantasie, durch immer mehr Gesetze und Formeln? Warum denken wir zu sehr in Kasten und Genren und versuchen alles in das rechte Licht zu rücken? Warum zersplittern wir uns, die Rollenspielergemeinde, immer weiter in kleiner Subgruppen durch immer mehr neue Rollenspiele? 

Ist der Markt überfüllt? Vielleicht.

Habt ihr es nicht auch irgendwie in eurem Innersten satt, der Rollenspielindustrie hörig zu sein und alles zu kaufen, was sie im Monatstakt herausbringen?

Irgendwie kommt mir gerade die Galle deswegen etwas hoch.

Was bedeutet Rollenspiel überhaupt noch für uns?
Neue Bücher mit bunten Bildchen? Neue Regeln? Neue Fähigkeiten, neue Monster und neuen Krimskramsverleihen? Im Kreis alter Leute zusammensitzen, Kekse futtern und dabei ein bisserln rumwürfeln?
Ich weiß nicht, ob es das ist, was wir wollen.

Erinnert ihr euch noch an eure Anfangszeit?
Gut, meine liegt noch nicht so weit zurück, aber ich kann mich noch daran erinnern, wie es damals bei mir vor 20 Jahren mit HeroQuest losging. Ok, HeroQuest ist kein wirkliches Rollenspiel, aber für uns war es das. Wir haben mit HeroQuest Rollenspiele gespielt. Mit den gleichen, einfachen Regeln haben wir fantastische Reiche erkundet, Monster verpügelt, Schätze eingesammelt und schlicht und einfach Spaß gehabt. Früher haben wir Dutzende von HeroQuest-Dungeons entworfen, mit neuen Monstern von den DSA-Brettspielen, Plastikspinnen und anderen Figuren bevölkert und hatten einfach unseren Spaß dabei.
Wir haben sogar damals damit begonnen eigene, fantastische Welten zu entwerfen, wo es teilweise auch recht grobe Mischungen der Genres gab (Masters of the Universe sei dank!), aber es hat uns gefallen. 
Es war einzigartig! Es war grandios! Es war unsere Welt!

Und dann? Dann kam DSA und damit auch so langsam der Kommerz. Man passte sich den Welten und den Regeln an. Man verfiel dem Kommerzwahn und verkaufte damit seine Seele und seine eigene Kreativität.

Vor Urzeiten hatte ich mal eine Diskussion, als ich mal einer Idee gefolgt bin, ein Sword & Sorcery-Setting auf Cthulhu-Regelbasis zu entwerfen. Die Sache wurde ganz nett angenommen und beredet, aber als ich dann die irrwitzige Idee hatte, dass die Großen Alten als Alliierte der urzeitlichen Menschen im Kampf gegen die Äußeren Götter einzubeziehen, bin ich auf einen ziemlich harten Widerspruch gestoßen. 

Das könnte man doch nicht machen! Das widerspricht dem Kanon! Lovecraft würde sich im Grabe herumdrehen! usw. blah.

Da frage ich mich doch irgendwie: Kanon? Welcher Kanon? Sind wir denn hier in der Kirche? Folgen wir einer heilgen Bibel der Rollenspielregeln und der Welten? Muss alles so sein, wie es irgendjemand mal irgendwann aufgeschrieben hat?

Um bei dem Beispiel "Lovecraft" zu bleiben: Lovecraft ist nun schon einige Jahre tot und sein Erbe wurde von vielen Autoren über die Zeit hinweg erweitert und auch verändert. Als das Rollenspiel geschrieben wurde, kamen neue Aspekte hinzu, alte wurden geändert. Es hat sich ständig verformt und wurde durch neue Editionen immer weiter aus- und umgebaut. Was ist also nun der Kanon von Cthulhu? Wer sagt denn nun, dass es nicht möglich wäre, dass es theoretisch zu diesem Bündnis zwischen Uralten und Menschen hätte kommen können?

Ist das nicht irgendwie irrsinnig? Ist das Rollenspiel wirklich zu einer Art Ersatzreligion geworden? Zu einer Droge, welche wir uns hörig selbst hineinblasen, um unsere Vorstellungen mit den Bildern fremder Welten zu trüben? Ist es wirklich das, was wir wollen?

Ich habe heute meinen Ehrlichen, daher mal ganz direkt gesagt: Ja, ich kaufe mir Rollenspielbücher, aber nein, ich lese mir kaum noch die Regeln durch, da sie mich in den meisten Fällen nicht mehr interessieren. Ich entziehe ihnen lediglich mal einige Ideen, die mir gefallen, um sie für mich selber einzusetzen, aber ich habe seit Jahren kein Rollenspiel mehr komplett nach festen Regeln und der entsprechenden Welt mehr gespielt.
Und warum? Weil mich noch keines hat so befriedigen können, wie ich es wollte.

Es gibt keine Perfektion in dieser Welt und das ist auch gut so. Meiner Ansicht nach ist das Erreichen des perfekten Zustandes ein Zeichen des Stillstandes, der Ruhe und des Todes. Aber die Suche nach ihr, das Erfinden, das Schreiben, das Kreieren, das Chaos der Schöpfung, dass ist das, was mich reizt. Die Suche nach dem, was uns einst Spaß machte.

Wisst ihr, was mich traurig macht? Rollenspieler, die in den Welten und Regeln und Systemen der Anderen gefangen sind. Die glauben, dass es außer Aventurien, der Erde der Zukunft oder der Welt der Finsternis nichts mehr zu entdecken gibt - es sei denn, es steht im nächsten Buch. Die sich nach neuen Regeln für ihre Charaktere sehnen, die nach neuen Artefakten, Fähigkeiten und Eigenschaften gieren und nach neuen Welten, die sie endlich bereisen können, um neue Abenteuer zu erleben.
Und wisst ihr, warum es mich traurig macht? Weil man es mit etwas Eigeninitiative und Kreativität selbst hätte bauen oder können.

Als Weltenbastler liebe ich das Hineinträumen und Erschaffen meiner eigenen Welten. Es ist, wie mein Forenchef gesagt hat, wie ein Lego-Kasten, der endlos gefüllt ist, und mit dem ich meine Welten erschaffe. Und darain liegt auch meine Aussage: Meine Welten! Auch wenn ich sie online stelle, so dienen sie ersteinmal mir. Wem sie gefallen oder nicht, ist mir im Grunde egal. Wenn sie jemanden inspirieren oder wenn jemand sie auch erkunden will, so lade ich ihn gerne ein und freu mich auch darüber. Ich will niemanden meinen Willen aufzwingen und ich will auch niemanden zwingen, nach meinen Regeln zu spielen. Ich will nur endlich mal wieder eines: Richtig Spaß an der Sache haben!

Und darum schlage ich nun eine neue Seite auf und begebe mich wieder auf die Suche nach meinen Wurzeln und nach meinen Welten.

Ich kann nur raten, denkt über euch und über das Hobby nach. Wollt ihr von dem Rollenspiel abhängig sein? Wollt ihr es anbeten? Oder wollt ihr es euch einfach zu nutze machen und einfach nur Spaß haben und verdammt nochmal geile Abenteuer erleben?

Was wollt IHR?

4 Kommentare:

  1. Netter Beitrag. Leider kann ich nicht all zu viel dazu sagen, da ich mich schon vor ewigen Zeiten vom Rollenspiel abgewendet habe und mich nun wenn schon noch dem Hack&Slay auf dem Computer widme.
    Deswegen wird mein Kommentar ab hier wohl ein wenig off sein...
    Mir ist schon klar, dass die Entwicklung ausgefeilter Regelsysteme nicht der ursprüngliche Antrieb hinter dem Rollenspiel ist, jedoch wandelt sich die Szene und ich muss ehrlich sagen, dass gerade das der Aspekt ist, der mich bisher an jedem Spiel am stärksten begeistert hat. Mir gehts hier nicht um wunderbare Simulationen, sondern simple Ideen, die einen vor eine neue Herausforderung stellen - suche nach "Hydra Roguelike" und du wirst ein Spiel finden, dass durch seine Regeln glänzt. Ich glaube nicht, dass "echten" Rollenspielen dieser Weg versperrt bleiben muss.

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  2. Hallo Logan,

    ein sehr schöner Beitrag!

    Viele vergessen leider zu oft das die Regeln nur dazu bestimmt sind, unsere Phantasie in der jeweiligen Welt "eine Form" zu geben. Viele setzen die Regeln leider heute über die Kraft der eigenen Vorstellung, was in meinen Augen nicht der Sinn eines Rollenspiels sein sollte, da man sich dadurch eigentlich die große Freiheiten nimmt, die einem Rollenspiele bieten.

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  3. Hello,

    ich mach meinen Krams auch für mich. Stelle es online, damit ich möglichst alles an einem Platz habe, auch wenn mal Festplatten abrauchen. Wenn andere inspiriert sind - schön! Wenn nicht - egal! Wenn Sie Spaß dran haben, darüber zu lästern - haben sie wenigstens Spaß :-) Und ob sich andere nur auf Aventurien und die Kaufabenteuer konzentrieren - sollen sie doch! Wenn sie nur ihre eigenen Welten basteln, und bastelnd nach den perfekten Regeln suchen - warum nicht? Wenn es ihnen Spaß macht, I don't care. Bzw. freue ich mich wenn ich durchs Lesen gut unterhalten werde, wie z.B. hier :-)

    Dann skizziere ich jetzt mal Gedanken für den nächsten Post, was Legospielen mit Rollenspiel zu tun hat. Wen es auch immer interessiert...

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  4. Erst einmal: Ein sehr schöner Artikel, dessen Unbehagen ich allzu sehr nachvollziehen kann. Je dezentraler das Hobby wird, je mehr Klein- und Kleinstregelwerke und eigene Kampagnenwelten es gibt, über die die Übersicht zu behalten idealerweise unmöglich wird, desto lieber soll es mir sein, da eine solche Entwicklung die stärkste Versicherung gegen eine Ökonomisierung wäre.
    Um Deine finale Frage aufzugreifen: Das einzige, was mich an Rollenspielpublikationen wirklich reizt, sind die Regelsysteme, um sie einerseits als Inspirationsquellen zu gebrauchen und andererseits als Systeme zu analysieren, die auf eine bestimmte Weise versuchen, (fifktive/in narrative Kontexte eingebettete) Realität zu simulieren. Was implizieren sie? Was bedeuten sie für die Welt, die mit ihrer Hilfe gestaltet werden soll? Von was für einem Weltverständnis/Von was für Prämissen gehen sie aus? Diese Fragen mögen zwar nur bedingt etwas mit dem unmittelbaren Geschehen am Spieltisch zu schaffen haben, für sich selbst genommen, finde ich sie allerdings sehr interessant.

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