Donnerstag, 22. Mai 2014

[Rollenspiel] Mháires "Stein des Anstoßes"



Mháire - bekannt von Orkenspalter-TV/Late-Nerd-Show/Shut Up And Take My Money/etc. - hat in ihrem Blog einen schönen Artikel über Rollenspiel und Regeln verfasst. Durch diesen "Stein des Anstoßes" - Sorry für den Vergleich... - will ich meine Gedanken zu dem Thema auch einmal wieder sortieren.


Ausgangssituation
Ich glaube, die Frage, wie man mit Regelwerken umgeht, wie man seine Rolle auslebt und die Geschichte erzählt, ist sehr von der eigenen Vorgeschichte abhängig. Mit was hat man begonnen? Mit was gleich zu Beginn die besten Erfahrungen bzw. die schlechtesten Erfahrungen gemacht? Und wie ist die Umgebungssituation?

Meinen Beginn machte ich, wenn man wirklich mal von einem richtigen Rollenspiel ausgeht, mit DSA. Ansonsten würde ich fast sogar Heroquest als meinen Einstieg ins Dungeon Hack mit Rollenspielanleihen ansehen. Schließlich war meine alte Gruppe damals so vor 22 bis 23 Jahren sehr HQ versessen und wir haben dank unserer Erfahrungen mit "DSA: Schicksalsklinge" daraus unser erstes, "richtiges" Rollenspiel namens Dark Realms gebaut. Leider hab ich das Material nicht mehr. Würde mich echt mal wieder jucken, das alte Zeug in die Finger zu bekommen.
Egal. Ich schweife ab.

Also die erste, offiziell richtige Rollenspielerfahrung war bei mir DSA 2 im zarten Alter von ca. 16 Jahren. Unser Spielleiter war etwas erfahrener in dem Thema - und eigentlich eines der schlechtesten Beispiele, wie man es nicht machen sollte. "The Gamers" und die "I go...I sneak...I crawl down the hall..." Diskussion lassen grüßen.



Desweiteren lebe ich auf dem Land in einem 6000-Seelen-Kaff, weshalb es auch etwas schwerer ist an potentielle Spieler zu kommen. Mein direkter Freundeskreis besteht zum größten Teil aus Pseudo-Geeks (Digitale Spiele ja, Brettspiele und ähnliches auch, Rollenspiele und etwas regelintensivere Spiele als Arkham Horror, Mansions of Madness eher nicht.) und Normalogamern (normale Brettspiele halt). Und dann ist da noch eine kümmerliche Handvoll ex-Warhammer TTGlern, mit denen ich aber eher mittelmäßige Erfahrungen gemacht habe, was das spielen angeht (Megaschlachten gerne, aber die Regeln müssen alle ausdiskutiert werden, damit ja nicht benachteiligt wird...gähn...).

Richtige Rollenspielerfahrungen habe ich daher fast nur mit meiner Freundin gesammelt...Nein, nicht DIESE Rollenspiele! Und hin und wieder in kleinen Gruppen, wo ich aber dann auch sehr regelarm gespielt habe, um sie nicht zu überlasten. Hier hat sich vor allem "Cthulhu" und das BRP als recht praktisch erwiesen, da die meisten Regeln recht durchsichtig waren und das Prozentsystem nicht ganz so abstrakt war wie andere Wertesysteme. Unter den Prozentwerten konnten sich die Spieler einfach etwas vorstellen. Zudem ist das BRP bei Cthulhu nicht wirklich sperrig. Es gibt nur wenig Listenarbeit und auch nicht viel Diskussionsbedarf. Und es ist auch theoretisch recht gut möglich Cthulhu mit Miniaturen zu spielen - was wir allerdings nie gemacht haben. Kommt ja auch ein bisserl darauf an, wie man es spielt. Ob nun mehr als Dark Fantasy oder doch eher als Horror RPG.

Interessanterweise haben wir, also meine Freundin und ich, trotz einer gewissen Tendenz zu Storydriven-RPGs meistens immer mit AD&D gespielt, wobei wir die Regeln immer so weit runtergebrochen haben, dass es nicht mehr viel Elemente gab, die gestört haben. Gut, der ETW0 war immer noch nicht schön, aber insgesamt lief es ganz gut.


Essenz
Zieht man nun die ganzen Erfahrungen zusammen, so komme ich zu dem Punkt, dass ich eigentlich gerne sehr einfache Systeme spiele, die der Geschichte nicht sehr im Wege stehen und auch keine großen Blätter- und Tabellenorgien benötigen. Versteht mich nicht falsch: Ich mag Random-Tables, denn sie liefern Unmengen an Inspirationen und Ideen, wenn es gerade etwas mangelt. Gerade dann, wenn man eine Sandbox ausstatten möchte und einem eben gerade dann die Ideen ausgehen.

Trotz meiner Tendenz zu Storytellern fühle ich mich bei ihnen nicht wirklich wohl, was, so glaube ich, immer an der etwas schwülstigen Begriffswut leidet. FATE ist da so ein Beispiel. Dieses ganze Talente-Aspekte-Gaben-Konflikte-Geschwurbsel und die tw. kryptischen Bezeichnungen dieser einzelnen Teilpunkte schreckte mich einfach immer ab. Da kann das Setting noch so gut sein, aber wenn ich nicht etwas mit der Mechanik warm werde, hat es halt nun mal verloren. Schade, ist aber so.

Ich mag es eben eigentlich sehr einfach und klar strukturiert. Eigentlich muss es schon alles so simpel sein, dass auch Gelegenheitsspieler recht schnell in die Regeln reinkommen können. Sicherlich haben Systeme wie Shadowrun mit dem wunderschönen Beispiel von Mháire auch ihren Reiz und ja, es kann schon richtig echt Spaß machen, sich einen Charakter in stundenlanger Kleinstarbeit auszuklöppeln, doch ich weiß halt auch, dass das so bei uns nicht funktionieren wird.



Die goldene Mitte
Was mir immer wieder und wieder auffällt, ist eben die exterme Teilung des Hobbies in regelintensiven Dungeon Hacks auf der einen und recht regelarmen aber oft geistig verquasteten Storytellern. Es gibt nur wenig, was irgendwie dazwischen angesiedelt ist und ich glaube, dass sich hier die goldene Mitte befindet: Einfache Regeln, welche nicht den Storyfluss verkleben und trotzdem sogar etwas Möglichkeiten zum Taktieren geben.

Interessant war hier zum Beispiel der Ansatz von Games Workshops "Inquisitor". Man hat ein Table Top Spiel, das zwar mit einem klebrigen Klotz an Regeln daherkommt, bei der Charaktererschaffung allerdings dann wiederum sagt, dass alles möglich ist.
Denn: So etwas wie eine Ballance gibt es nicht! Die Ballance ist eine Illusion, denn ab einem gewissen Punkt werden die Regeln so umfangreich, dass man nicht mehr jede Eventualität beachten kann. Daher ist es eben gleich einfacher, sie zu ignorieren. Die Realität ist auch nicht immer ausgeglichen. Hat man dies einfach akzeptiert, lebt und spielt es sich wirklich viel einfacher.
Die Regeln bei "Inquisitor" sind nur dazu da, die Gefechte abzudecken und hier versuchte man so viel wie möglich zu simulieren.



Das ist dann der Punkt, wo ich mich dann frage, warum überhaupt? Es ist kein Wettbewerbsspiel wie Warhammer und es gibt ohnehin einen Spielleiter und warum sollte die Aufgabe des armen Teufels eigentlich nur aus Blätter- und Listenarbeit bestehen? Wäre es nicht viel schöner, wenn man nicht einfach einen Würfelwurf macht und das Ergebnis dann einfach interpretiert und in die Geschichte einflechtet? Man bekommt bei "Inquisitor" ein großes Angebot an Regeln, aber man sollte sich von dem Gedanken lösen, dass alle diese Regeln auch Plichtprogramm sind. Und dieser Gedanke ist der wichtigste Gedanke im ganzen Rollenspielhobby überhaupt: Die Regeln sind nur Kür, keine Pflicht! Man sollte einfach nur das nutzen, was hilfreich und nützlich ist und einem in einer gewissen Situation auch unterstützt, aber sobald die Regeln ewig lange nachgelesen, studiert, hinterfragt und ausdiskutiert werden müssen und dadurch der Spielfluss und letztendlich auch die Geschichte darunter leidet, dann sind sie eigentlich doch eher fehl am Platz. Oder nicht?



Interessant fand ich zum Beispiel auch den Ansatz von Zak "Sabbath" Smith von "Playing D&D with Pornstars". Da wird Old-School-D&D mit Miniaturen gespielt, aber auf solche Dinge wie Raster, Dungeontiles oder Maßbänder wird einfach verzichtet. Es ist einfach Storytelling mit Miniatureneinsatz. Monsterbashing ohne extremen Regelfetischismus.

Auch sehr gut finde ich die Idee der "Accept or Roll". Entweder man aktzeptiert die Entscheidung des Mitspielers oder mal legt einfach ein Veto ein, bei dem gewürfelt wird, ob die Handlung gelingt oder nicht. Kämpft man zum Beispiel gegen eine Gruppe von Goblins, so kann der Spielleiter einfach akzeptieren, dass die Spieler die Goblins niedermachen. Will ein Spieler das Gleiche aber auch bei einem Troll machen, wo alle Chancen gegen den Spieler stehen, so kann der Spielleiter sagen, dass der Troll den Charakter fressen wird. Der Spieler kann sein Schicksal akzeptieren oder er würfelt nun.


Summe des Ganzen
Was will ich nun damit sagen - um noch einmal auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen: Ich glaube, dass meine bevorzugte Spielweise irgendwo in der goldenen Mitte liegt und dass ich deswegen mir auch mit vielen Systemen auf dem Markt schwer tue, da sie mir oft zu extrem in die beiden Enden des Spektrums gestellt sind.

Irgendwo muss jeder seine eigene Mitte zwischen Story und Regeln finden, was bei der heutigen Auswahl gar nicht so einfach ist. Früher war es leichter. Um nochmal auf meinen Ursprung zurück zu kommen. Am Anfang hatten wir nur DSA und eigentlich reichte es auch. Wenn man nichts anderes kennt und auch noch nicht mit Unmengen an Zusatzregeln zugemüllt wird, reichte es vollkommen. Und egal, ob man mit oder ohne Minis, mit oder ohne Fertigkeiten, als Dungeonhacker oder eher als Storyteller gespielt hat, es hat funktioniert.
Daher sage ich es einfach noch einmal: 
  • Die Mitte suchen. 
  • Die Regel als Unterstützung der Geschichte ansehen. 
  • Spaß haben.

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