Donnerstag, 10. März 2011

[Philosophie] The Weird and the Wonderful

Oder: Wie bekommt man Weird Fiction in ein Sword & Sorcery/Planet-Setting?

"Nyarlathothep" von Malachi Robb

Bevor ich in nächste Zeit damit beginne, meine Viecher, die sich so auf Cimorra tümmeln, hier nach und nach zu veröffentlichen, wollte ich mal die Frage erörtern, wie man Weird Fiction und Sword & Sorcery bzw. Sword & Planet unter einen Hut bekommt.

I. Die Differenz
Zwischen den Genres der Weird Fiction und Sword & Sorcery/Planet gibt einen gewaltigen Unterschied, der wie ich finde, den Grenze zwischen den beiden Genres am deutlichsten darstellt: Der Hauptcharakter und seine Reaktion auf die Umgebung.

Conan - Der archetypische S&S-Held
Während der Hauptcharakter in der Sword & Sorcery/Planet das Musterbeispiel eines "Helden" darstellt, der zwar nicht immer der strahlende Schönling und Gutmensch ist, aber dafür weder Tod noch Teufel fürchtet und sich sogar mit Kreaturen, Bestien und Dämonen anlegt, die ihm scheinbar eindeutig überlegen sind, ist der Weird Fiction Charakter eher ein von wissenschaftlicher Neugierde und Leidenschaft beseelter Charakter, der auf der Suche nach einer tieferen Wahrheit Dinge freisetzt, die seinen Verstand zermürben und ihn letztendlich vollkommen vernichten.
Jeffrey A. Combs als H.P.Lovecraft in "Necronomicon"
Sprich: Es geht um die Ignoranz von Grauen jeder Art und dem geistigen Verfall. Angriff oder Flucht. Action oder Horror. Oder für Rollenspieler: Während der Cthulhu-Charakter seine geistige Stabilität beim Anblick eines Shogotten versiebt und flieht oder zu einem sabbernden und kichernden Häufchen Elend wird, lacht sich der BoL-Charakter einen und pflügt sich mit seinem Breitschwert durch die schleimige Innereienmasse des Shogotten - egal, ob er es überleben wird oder nicht.

Die Synthese
Um nun die beiden Genres unter einen Hut zu bekommen, muss man diese Extremen etwas abfeilen. Denn es wäre etwas seltsam, wenn ein waffenstarrender Barbar beim Anblick eines Aliens dem Wahnsinn verfallen und in Ohnmacht fallen würde. Dies hätte höchsten den Effekt, dass das Setting in die Lächerlichkeit rutschen würde und das wäre absolut tödlich.
Daher ist es wichtig, dass man hier auf der einen Seite eine angenehme Mischung aus Action und Terror erzeugt und auf der anderen den Pulpeffekt nicht zu kurz kommen lässt. Schauen wir uns das Ganze genauer einmal auf Cimorra an:

Helden auf Cimorra
Auf Cimorra leben die Charaktere in einer jungen Welt, die aber schon eine Apokalypse hinter sich hat, die von übermächtigen und gottgleichen Wesen ausgelöst wurde und deren Erbe immer noch auf der Welt zu finden ist. Die Charaktere leben irgendwo zwischen den zivilisierten und hochtechnisierten Städten und dem wilden Umland, welches von Monstern und Bestien bevölkert wird. Sie sind immer umgeben von den Geschichten und Legenden der Uralten und den Geschichten über verfallene Städte, geheime Tempel und sagenhafte Schätze, die von Göttern und Geistern bewacht werden. Die Charaktere sind Kinder dieser Welt und haben daher, im Vergleich zu einem Erdenmensch, eine andere Sicht auf diese Dinge. Sie werden bei dem Anblick einer befremdlichen, bizarren Statue nicht in Panik ausbrechen oder vor einem heranstürmenden Dinosaurier fliehen, solange sie bewaffnet sind. Sicherlich werden Dämonen und andere, übernatürliche Dinge, welche sie kaum verstehen ihnen Angst einjagen und bestimmt verhält es sich nocheinmal anderst, ob ein Charakter aus einer der goldenen Metropolen abstammt oder von einem Naturvolk aus den Urwäldern, aber insgesamt sind Cimorrier abgehärteter als ein moderner Erdenmensch, der das Übernatürliche nur aus schlechten Filmen kennt. Ein cimorrischer Held ist es gewohnt, dass jeder Tag um sein Überleben zu kämpfen, sei es gegen bestialische Monster, höllische Dämonen, wahnsinnige Magier, seelenlose Roboter oder wilde Krieger oder aber auch gegen alltägliche Probleme wie die Suche nach Essen oder einem Dach über dem Kopf.

Szene aus dem neuen "Conan the Barbarian"
Umsetzung
Wie setzt man nun diese Tatsache um? Nun, ein Held in einem Weird-Sword&Sorcery-Setting, sollte schon in der Lage sein, den Terror des Fremden und Dämonischen zu spüren, aber er sollte ihm nicht so einfach erliegen, wie es einem normalen Charakter ergehen würde. Er sollte die Möglichkeiten haben, sich seinen Ängsten heldenhaft stellen und sie - sowie auch den Feind an sich - besiegen können. Vollkommene Angst und Panik ist nichts für die Helden, sondern eher für (weibliche) NSCs, die es zu erretten gilt oder für jene, die durch den Wahnsinn zur Dunkelheit hingezogen werden und so zu einem Antagonisten der Charaktere werden.

II. Cthulhu-Mythos - oder nicht?
Je nachdem, wo das WS&S/S-Setting (Schöne Abkürzung, oder?) spielt, stellt sich vielleicht auch die Frage, woher die Weird-Elemente kommen. Und da stehen natürlich auch zwei Begriffe im Raum: Lovecraft und der Cthulhu-Mythos. Der Cthulhu-Mythos ist ja im Grunde das Sinnbild der Weird Fiction: Fremdartige, seltsame Wesenheiten, pfeffrig riechende Bücher voller übler Magie, bizarre Gottheiten und fremde Welten jenseits von Raum und Zeit. Wie weit kann man den Mythos dehnen, um vielleicht sein eigenes Setting zu einem Teil des Mythos zu machen?
Der Grund für diese Frage ist ja auch recht einfach: Der Mythos ist randvoll mit Monstern, Gottheiten, Zaubern, Magie und Artefakten. Eine Fülle an Materialen, an denen man sich leicht bedienen kann. Aber wie weit kann man gehen?

Der Fall Cimorra
Im Falle von Cimorra kann man realtiv weit gehen, da der Mythos in der Geschichte der Welt ansatzweise verwoben ist. In der frühen Vergangenheit Cimorras existierten einst die Tore der Uralten, mit denen sie zwischen den Welten reisten und so auch die Erde in ihrer frühen Form besuchten. Die Uralten kannten die Kontinente Mu, Lemuria und auch Atlantis und unterhielten sogar Handelskontakte. Die Tore könnten z.b. ein Teil von Yog-Sothoth sein, der ihnen erlaubte, zwischen den Welten zu reisen. Teile der Mythos-Wesen der Erde könnten durch diese Tore nach Cimorra gelangt sein, wie z.B. die Tiefen Wesen. 
Da scheinbar Cimorra und die Erde im gleichen Universum liegen, könnte Cimorra auch von den Älteren Wesen oder den Mi-Go (die ja auch schon auf Cimorra gesichtet wurden), angereist worden sein. Die nuklearen Kraftwerke, die in den Städten der Uralten und später auch der Altvorderen standen, könnten Fragmente von Azathoth enthalten. Und Wesen, wie z.B. Schlangenmenschen, sind auch weithin bekannt.
Was es definitiv nicht auf Cimorra gibt sind erdgebundene Große Alte, wie z.B. der Große Cthulhu, Glaaki oder ähnliche. Stattdessen gibt es andere Große Alte, die in den geheimen Tempeln und den Ruinen der Uralten gefangen sind. 
Nyarlathothep
III. Verstärkung des Weird-Effekts
Schon vor einiger Zeit habe ich über die Mischung von Wesen bekannter Mythen und des Cthulhu-Mythos nachgedacht. Persönlich finde ich, dass diese Mischung, solange die einer gewissen Logik unterliegt, durchaus dafür sorgt, das der Effekt des Seltsamen und Bizarren weiter verstärkt wird. Durch den Einsatz bekannter Wesenheiten, wie z.B. Satyren, Nymphen oder Gargoyles, erhält man etwas Bekanntes, dass aber durch die Anwesenheit des Seltsamen verzerrt wird. Wenn ein Satyr nicht mehr mit Dionysos, dem griechischen Gott des Weines und der Freuden, sondern mit Shub-Niggurath, der Ziege mit den Tausend Jungen, in Verbindung gebracht wird, dann verändert sich auch das Bild des Satyr. 
Der Verzerrung des Bekannten ist eine sehr schicke Methode um den Weird-Effekt zu erzeugen.

Abzuraten aber wäre es, einfach Wesen aus irgendwelchen Monsterkompendien zu übernehmen und plötzlich die finsteren und bestienverseuchten Wälder mit Elfen und Kobolden im Stile von D&D zu bevölkern, weil dann das Setting sehr beliebig wird. Möchte man diese einsetzen, so muss man schon die Elemente und Hintergründe modifizieren, um eine Eindeutigkeit und Konsistenz zu erhalten. Kobolde könnten zu kinderfressenden Geistern werden und Elfen könnten bösartige Waldgeister sein.
Es ist alles eine Frage der Definition, wie man diese Elemente in ein solches Setting einbaut, doch wäre es definitiv falsch, einfach EDO-Elemente hineinzustecken, da dies die Atmosphäre des Settings komplett zerschießen würde.

Fazit
Ein heroisches Setting mit Weird-Elementen zu versehen, ist durch aus einfach zu machen, doch ist muss der Spielleiter immer darauf achten, dass das Seltsame und Strange nicht zu sehr alltäglich wird. Terror und Horror sollten eine Rolle spielen, doch sollte es auch nicht übertrieben werden. Und wenn man sich dem Cthulhu-Mythos bedient, sollte man immer auf eine gewisse Konsistenz achten, damit es nicht zu sehr in Zufälligkeiten abdriftet.

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