Mittwoch, 23. November 2011

[Rollenspiel] Weltenbastler vs. Rollenspieler

In den letzten Wochen und Monaten bin ich immer wieder über folgenden Satz gestolpert:

"Das Setting muss an das Rollenspiel angepasst sein und nicht das Rollenspiel an das Setting."

Das klingt, aus der Perspektive eines Rollenspielers, der sich fest an einem Regelkern entlang hangelt, recht sinnvoll. Denn in diesem Fall steht das Spielerlebnis vorne an. Die Welt an sich ist eher zweitrangig. Gerade im klassischen Fantasy-Bereich kann man die meisten Welten untereinander austauschen, ohne dass sie großartig ans Regelwerk angepasst werden müssen. Siehe zum Beispiel D&Ds Faerun, Aventurien oder Dungeonslayers Caera. Ähnlich kann man auch bei diversen SF- oder Horrorsettings verfahren. Setting und Regeln sind recht gut austauschbar und bleiben für sich getrennt. Sprich: Es ist durchaus möglich Aventurien mit D&D-Regeln zu spielen (was ich schon getan habe) oder Cthulhu zum Beispiel mit den World of Darkness-Regeln. Alles machbar, wenn man das Setting leicht an die Regeln anpasst.

Aber genau daran liegt im Grunde die Crux, denn was ist wichtiger: Die Regeln oder die Welt? Für einen Rollenspieler, der sich mit einer meist vorgefertigten Welt beschäftigt und diese vielleicht etwas seinen Vorstellungen anpasst, mag es wichtig sein, dass die Regeln ein unumstößliches Fundament darstellen. Ein Konstante im kreativen Chaos des Rollenspiels.

Für mich, als Weltenbastler, geht es primär aber daraum, meine Welt so zu erleben, wie ich sie mir ausgedacht habe. Also auch mit allen Elementen, die diese Welt zu dem machen, was sie ist. In diesem Fall muss sich das Regelwerk der Welt beugen und nicht die Welt dem Regelwerk.

Ein Beispiel:
Die Magie Gaias basiert auf dem Manapotential, welches die Umgebung und jedes Wesen in sich birgt. Das bedeutet, dass jeder Magieanwender im Normalfall einen Zauber ohne größere Schwierigkeiten anwenden kann. Ändert sich dieser Normalfall aber, indem ein Zauber in einer sehr manareichen oder -armen Umgebung gewirkt wird, so verändert dies auch den Aufwand, welchen der Magier aufbringen muss, um den Zauber zu wirken. Sprich: In einer manareichen Umgebung wird es einfacher ihn anzuwenden, in einer manaarmen Umgebung kann es zu gewaltigen Schwierigkeiten kommen. Im letzeren Fall muss der Magier entweder eine Manaquelle oder sein eigenes Potential anzapfen, um den Zauber wirken zu können. Und zapft der Magier dabei zu viel von seinem Potential an, so wird er früher oder später das Bewusstsein verlieren.

Dieses System ist nun keine Rollenspielregel, sondern ein In-World-Gesetz, dies aber mit einem entsprechenden Regelwerk umgesetzt werden muss, um die interne Logik der Welt beizubehalten. Daher muss das entsprechende Regelwerk an diesen Umstand angepasst werden. Ansonsten hätte man sich ja auch den ganzen Aufwand für eine stimmige Erklärung der Magie auf Gaia sparen können und ein einfaches Magiepunkte- oder Abklingsystem wählen können. Aber dass kann ja jeder.

Dieser Aspekt zieht sich durch jedes Element der Welt, weswegen es auch ungemein schwierig ist, für eine eigene Welt das passende System zu finden. Zudem kommt es noch darauf an, wie die Welt "erkundet" werden soll. Reicht zum Beispiel ein reines Storytelling-System oder sollte die Erforschung durch den Einsatz von Miniaturen verstärkt werden? Ist die Welt zum Beispiel eine alternative Erde der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft oder eine vollkommen fremde Welt? Entstand sie auf Basis von bekannten Rollenspielwelten - und somit auch auf deren Regelwerken - oder basiert sie eher auf Romanen, Filmen, Comics oder ist sie komplett frei entwickelt worden? Wie weit ist die Welt ein Eigenprodukt? Oder ist sie ein Teil eines großen Ganzen (z.B. eine Welt des Star Wars- oder  Warhammer 40k Universums)?

Diese und weitere Fragen können auf der Suche nach dem passenden Regelwerk kriegsentscheidend sein. 
Oder man schreibt natürlich sein eigenes Regelwerk - wenn man die Zeit und die Nerven dazu hat.

Daher lautet mein Motto: 

"Das Regelwerk muss an die Welt angepasst sein und nicht die Welt an das Regelwerk."

Meinungen dazu? Lasst mal hören!

5 Kommentare:

  1. Meine Meinung: "Das Regelwerk muss an die Welt angepasst sein UND die Welt an das Regelwerk."

    Grund ist der, dass man beides nicht unabhängig voneinander betrachten kann. Das ist wie mit Technologie: was möglich ist, wird gemacht, egal ob gut oder schlecht. Genauso ist es beim Rollenspiel: wenn das Regelwerk vorgibt, dass man z.B. zehn Meter tief fallen kann, ohne einen Kratzer davonzutragen, müssen die Bewohner der Spielwelt das wissen, denn das hat sicher schon mal jemand "ausprobiert". Oder wenn die Kampfregeln vorsehen, dass ein hochstufiger Charakter auch zehntausend niedrigstufige Orks allein erschlagen kann, weil sie ihm keinen Schaden verursachen können, sollte sich das auch im Bewusstsein der Kämpfer der Welt widerspiegeln.

    Für mich ist die Frage der Verschränkung von Regeln und Hintergrund eine ganz wichtige Sache, die mir überhaupt erst eine Immersion und suspension of disbelief ermöglicht.
    Deswegen meine ich, dass man sowohl Regeln wie Hintergrund gut zueinander passen müssen.
    Man kann ein schon bestehendes Regelsystem nehmen und dieses per HR auf das gewünschte Setting anpassen, aber ich sehe es sehr kritisch, sich eine Welt vorzustellen und dann einfach auf's Geradewohl irgendein Regelsystem dafür herzunehmen - denn das scheitert mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwo an Inkompatibilität.

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  2. Ich bin mir nicht sicher, ob das Zitat, dass du gebracht hast, das heißt, was du daraus machst. Da steht nicht "Regelwerk", sondern "Rollenspiel".

    Rollenspiel könnte sich auch auf die Core-Story beziehen, auf Färbung/Genre, auf Interaktionsmuster am Spieltisch und noch ein halbes Dutzend Dinge, die alles nicht direkt mit der Hintergrundwelt zu tun haben.

    Dein Beispiel mit der Magie ist übrigens typisch. Ich nenne das den Magie-Primat. Bei allen anderen Dingen geht - wenn überhaupt! davon aus, dass die Regeln eine grobe Abstraktion der Verhältnisse darstellen. Nur bei Magie glaubt man plötzlich, dass sie genauso funktioniert, wie die Regeln.

    Und ansonsten: Es gibt wunderbare Spiele, die völlig hintergrunds-agnostisch sind.

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  3. Logan, ganz deiner Meinung. Das ist auch der Grund, warum ich nur sehr gerne andere Regelwerke für ein Setting bin und ungerne Universalregeln nehme. Meist beißt sich das irgendwie.

    Oder es muss ein Regelwerk sein, mit dem ich das Setting sehr gut darstellen kann.

    Das Setting ist der Grund, ein Rollenspiel zu spielen. Ich möchte die Eigenarten eines Settings auch im Spiel erleben und keine Austauschabenteuer erleben. Und die Regeln sind ein Werkzeug dazu.

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  4. Jedes Regelsystem drückt dem Setting seinen Stempel auf. Willst du genau deine Vorstellungen umsetzen, musst du eben selbst schreiben, im besten Fall umfangreich hausregeln. Oder du lässt eben zu, dass ein Regelsystem Einfluss auf das Spiel hat. Das finde ich auch nicht sonderlich tragisch, je nach System eben gut, schlecht oder einfach nur ganz ok. Als Weltenbastler davon auszugehen, für das 100%-Erlebnis keine Regeln basteln zu müssen, ist naiv. Als Regeldesigner zu glauben, die eigenen Regeln könnten jede Welt abbilden, ebenso.
    Ich persönlich würde versuchen, ein möglichst nah verwandtes Regelwerk zu finden (Sword&Sorcery mit BoL oder J6S z.B.) und notfalls Hausregeln einzuführen.

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